ERNST LUDWIG KIRCHNER VEREIN   Ausstellung aus dem Nachlaß von FRITZ VAHLE
Eröffnungsrede  zur Ausstellung .

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Familie Vahle. Der Kirchner Verein bat mich um eine Einführung in die Arbeiten des Künstlers FRITZ VAHLE. Was ich sehr gerne tue.

 

Diese Ausstellung steht unter dem Motto -
Ein Maler auf Fehmarn, Rückblick auf ein Künstlerleben.

 

Ich zitiere aus den Gedanken, die sich Professor Heinz Kimmerle, ein enger Freund und Bewunderer von Fritz Vahle gemacht hat.

Fehmarn ist für Fritz Vahle die Insel geworden. Er suchte eine gewisse Abgeschiedenheit und fand sie in dem kleinen Haus in Westermarkelsdorf.
Das Besondere dieser Insel, ihr Wesen und ihre herbe Schönheit reizten ihn, sie  zu entdecken.

Und um sie zu entdecken, bedurfte es eines genaueren Hinsehens, eines tieferen eindringenden Blickes.
Die Leuchttürme, die die Insel an ihren äußersten Punkten markieren und die zugleich hinausstrahlen aufs Meer, haben ihn besonders fasziniert,
aber auch die Steilküsten, die Steine, die Äcker, das Handwerk der Fischer und alles, was das Meer enthält und was es ans Ufer spült.

Er sah die Insel mit seinen Augen, aber auch mit den Augen der Menschen, die hier ständig leben. Das hat zu Bildern geführt, die die Strukturen der Dinge,
die er auf den Äckern oder an der Küste fand,  offenlegten so wie sie waren:
Steine, Gerätschaften und  Teile der Landschaft. Er sah auch, dass das Meer von Menschen verunreinigt ist, dass es die Bojen und Netze an frisst,
dass die Steilküste jährlich weiter abbricht und daß an den Stränden oft genug Unrat anzutreffen ist.

Heinz Kimmerle nannte Vahle u.a. einen Finder.

Er wusste, bevor er los ging,-  um etwas zu suchen, - was er finden wollte.
Das Finden kam bei ihm vor dem Suchen
.

Er fand Steine, die als solche schon von der Natur geschaffene Kunstwerke waren, er fand uralte Fossilien, Versteinerungen von Tieren, die vor 80.000.000 Jahren
gelebt haben, große und kleine - bis hin zu den Minifossilien am Strand zwischen Presen und Katharinenhof.
Und er fand Artefakte, steinzeitliche Werkzeuge, die von einer blühenden Kultur auf dieser Insel um 3.000 vor unserer Zeitrechnung Zeugnis ablegen:
Steinbeile und Schaber, Speerspitzen und Bohrer, Handschmeichler und Kultsteine, aber auch haarscharfe Schneidewerkzeuge, mit denen schon damals
Operationen ausgeführt werden konnten.
Seinen Blicken offenbarte die Insel einen ungeahnten Reichtum.
Auf diese Weise entstand eine enorm große Steinsammlung, die er ordnete und zu deuten suchte und die er gerne den Freunden zeigte und erläuterte.

Fritz Vahle war auch ein Pedant.
Die liebevolle und genaue Beobachtung, die Ordnung in seinem Haus und die der Steinsammlung, nahmen gelegentlich pedantische Züge an.
Die Bleistifte auf seinem Arbeitstisch lagen stets in Reih und Glied.
Die Pedanterie war wie eine Hülle, die die von ihm aufgenommenen Dinge zusammen hielt und die sich in seinen Arbeiten fortsetzten.

Kimmerle nannte ihn auch einen Mystiker

Viele, meist ganz alltägliche Beispiele belegen es:

- Ein Besuch, den er vorausahnte,
- Ein Fund, von dem er vorher wußte,
- Ein Zusammentreffen von ungewöhnlichen Ereignissen.

- Seine Frau Inge Gießler, (ebenfalls eine große Künstlerin) die in Darmstadt lebte und er auf Fehmarn, taten oder erfuhren häufig ohne jede Verabredung dieselben Dinge.

In diesem Zusammenhang sind auch die Titel vieler poetisch-mystischer Bücher Vahles zu erwähnen.  Wie
"Anfänglichkeit", "Schmetterlingsahnung", "Wachtumsbewegungen", "Die Stunde schwimmt" und viele mehr.

Fritz Vahles Charakter war voller Gegensätzlichkeiten. Überraschend sein Hang zum Übersinnlichen.
Eines seiner stärksten Bilder "Das Blau der Tiefe" zeigte er 1982  in der BURG GALERIE.  (Siehe anhängendes Bild)
Beim Durchforschen der Landschaft und des Meeres, der bedeutungsvollen Dinge, die diese Insel birgt, stieg er schließlich herab oder hinauf in Dimensionen,
die gleichermaßen absolut dunkel und absolut hell waren:

„Das Blau der Tiefe - ist die Tiefe des Blaus“ - Eine mystische Farbe, die in ihren vielen Unterschieden kaum wahrgenommen wird. Sie umfängt uns, wie ein
wolkenloser Himmel und wie die Tiefe des Meeres, die auszuloten nicht möglich sind.

Der Maler Fritz Vahle, der Insulaner, der Finder, der Pedant und der Mystiker  fanden zusammen, wenn ein Bild entstand: ein Objekt aus gefundenen Materialien,
eine Collage aus buntem Papier, Blättern, Gräsern, Seetang und feinen Tuschestrichen oder eine einfache Bleistiftzeichnung.

Das Material der Steine hat Fritz Vahle künstlerisch auf subtile Weise erforscht.
Es gibt Bleistiftzeichnungen, die die Form und die Struktur von Steinen sehr

genau und mit großer Plastizität wiedergeben. Aber auch auf den Zeichnungen der Steilküste bei Staberhuk oder anderen Landschaften Fehmarns sind die Steine
wichtige und präzise ausgearbeitete Bildelemente.

Für die zahlreichen Objekte, die auf Fehmarn entstanden sind, werden viele andere Materialien der Insel verwendet: alte Holzstücke oder Eisen, Fischernetze,
Knochenfunde und dergleichen. Es sind Materialien, die die Spuren des Klimas der Insel und der Zeit, die sie im Freien gelegen haben, deutlich erkennen lassen.
Sie werden auf spielerische Weise und mit ästhetischem Feingefühl in neue Zusammenhänge gebracht.

Die zahlreichen farbigen Collagen bilden die Hauptmasse der künstlerischen Produktion Fritz Vahles auf Fehmarn.

Diese Arbeiten zeigen die ungeheure Sensibilität Vahles, den feinen Sinn für die kompositorische Zusammenstellung von Farbe und Form.

Sie sind aus seiner anhaltenden und tief gehenden Verbindung mit der Natur dieser Insel hervorgegangen.

"Wir leben auf einer Insel. - Die Zugvögel wissen das",
sagt er selbst in seinem schönen Fehmarn-Buch: "Das Wasser kam den Fischen zuvor" erschienen  im Scherpe Verlag
 

Zum Schluss möchte ich noch den Poeten und den Humoristen in Fritz Vahle erwähnen.

Der Sohn Fredrik Vahle, beschreibt in einem Lied,
 ….dass Fritz eine zeitlose Zeit in seinem zeitlichen Leben bereits erfahren hat

:"Ich sah mich von weither kommen;
ich sah mich auf meinen Standort zu schreiten und fühlte,
wie ich durch mich hindurchging;
als ich mich umschaute, sah ich mich davon gehen."

Mit dem Versuch, sein Werk zu deuten, Aspekte daraus in uns einwirken zu lassen, schauen wir ihm ebenfalls nach.

Schließen möchte ich mit einem kurzen Gedicht von Fritz Vahle

Der Umriß dieser Wolke wird nicht wiederholbar sein.
Das Meer erblickt ihr Weiß
in großer Spiegelung,
an der Mitte eines Tages,
die nicht wiederkehrt

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

 Fritz Vahle: Collage "Das Blau der Tiefe"     

 

 

 

 

 

 

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